Bidirektionales Laden im Faktencheck – V2L, V2H, V2G
Klartext zum bidirektionalen Laden
Bidirektionales Laden – also das Rückspeisen von Strom aus dem E-Auto – gilt als vielversprechende Zukunftstechnologie für die Energieversorgung. Begriffe wie V2G, V2H oder V2L sind mittlerweile weit verbreitet. Doch was steckt wirklich dahinter?
In diesem Beitrag räumen wir mit Mythen auf, erklären die technischen Grundlagen und zeigen, was aktuell möglich ist und was (noch) nicht. Unser Ziel: Ein verständlicher Überblick für alle, die tiefer in die Materie einsteigen möchten, ohne sich in Marketingversprechen zu verlieren.
Begriffsklärung
V2L (Vehicle to Load): Das Fahrzeug gibt Strom direkt an angeschlossene Geräte ab – z.B. über eine Schuko-Steckdose am Auto. Diese Anwendung eignet sich besonders dort, wo kein Stromanschluss vorhanden ist, etwa beim Camping, in der Natur oder auf Baustellen.
V2H (Vehicle to Home): Das Fahrzeug speist Strom in die hauseigene Elektroinstallation ein – vergleichbar mit einem heimischen Stromspeicher. Ziel ist es, Netzbezug zu minimieren und selbst erzeugten Strom effizienter zu nutzen.
V2G (Vehicle to Grid): Hier wird Strom aus der Fahrzeugbatterie in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Ziel ist die Unterstützung des Stromnetzes, etwa durch den Ausgleich von Lastspitzen oder zur Stabilisierung über sogenannte virtuelle Speicher.
V2X Oberbegriff, der alle genannten Anwendungen umfasst.
DIN EN ISO 15118: Die bestehende Ladenorm wird seit 2014 kontinuierlich um neue Funktionen erweitert. In ihrer ursprünglichen Fassung unterstützte sie jedoch kein bidirektionales Laden. Die Version 15118-20 ist die erste, die bidirektionales Laden sowohl für Wechselstrom (AC) als auch Gleichstrom (DC) berücksichtigt. Sie befindet sich aktuell noch in der Weiterentwicklung.
PLC (Power Line Communication): Sie bildet die technische Basis für eine digitale Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladestation.
PWM (Pulsweitenmodulation): Diese Signalisierungsart kommt zum Einsatz, wenn keine PLC-Kommunikation genutzt wird – das ist derzeit bei den meisten AC-Ladepunkten der Fall. Die openWB series2 unterstützt ausschließlich PWM, während die openWB Pro und Pro+ sowohl PWM als auch PLC beherrschen. DC-Lader hingegen unterstützen immer PLC.
OBC (On-Board-Charger): Das im Fahrzeug verbaute Ladegerät wandelt den über den Typ-2 Ladestecker eingespeisten Wechselstrom der Hausinstallation in Gleichstrom um, um die Fahrzeugbatterie (DC) zu laden.
Technische Randbedingungen
Das Hausstromnetz in Deutschland liefert in der Regel Drehstrom (AC) mit drei Phasen und 50 Hz. Die Phasen sind dabei um jeweils 120° versetzt.
Elektrofahrzeuge hingegen arbeiten intern mit Gleichstrom (DC). Das bedeutet: Wenn das Fahrzeug über das Hausnetz geladen wird, muss der Wechselstrom (AC) zuvor in Gleichstrom (DC) umgewandelt werden.
AC-Laden Beim AC-Laden übernimmt das Fahrzeug selbst diese Umwandlung – genauer gesagt der sogenannte On-Board-Charger (OBC). Er wandelt den Wechselstrom aus dem Stromnetz in Gleichstrom für die Batterie.
DC-Laden Beim DC-Laden geschieht die Umwandlung bereits in der Ladestation. Der Gleichstrom wird dann direkt über das CCS-Ladekabel in die Fahrzeugbatterie eingespeist. Das spart Zeit, da die Ladeleistung nicht durch den OBC im Fahrzeug begrenzt ist.
Wenn ein Elektrofahrzeug Strom an externe Wechselstrom-Verbraucher abgeben soll z.B. eine Bohrmaschine, das Hausnetz oder das öffentliche Stromnetz, muss der im Fahrzeug gespeicherte Gleichstrom (DC) zunächst in Wechselstrom (AC) umgewandelt werden.
Dafür gibt es drei technische Möglichkeiten:
- Wechselrichter im Fahrzeug: Das Fahrzeug besitzt einen zusätzlichen Wechselrichter, der den Gleichstrom aus der Batterie in Wechselstrom für externe Verbraucher umwandelt.
- Bidirektionaler On-Board-Charger: Der im Fahrzeug verbaute On-Board-Charger kann in beide Richtungen arbeiten. Er wandelt beim Laden AC in DC und beim Entladen DC wieder zurück in AC. In diesem Fall ist kein zweites Gerät nötig.
- Bidirektionale DC-Wallbox: Die Umwandlung findet in der Wallbox statt. Sie enthält einen Wechselrichter, der sowohl beim Laden AC in DC umwandelt als auch beim Entladen den DC-Strom aus dem Fahrzeug in AC-Strom für das Hausnetz zurückwandelt.
Wichtig: Egal, wo sich der Wechselrichter befindet, ob im Fahrzeug oder in der Wallbox: Ohne ein solches Gerät kann kein Wechselstrom aus dem Fahrzeug bereitgestellt werden. Ein einfaches Software-Update reicht hierfür nicht aus, es braucht zwingend passende Hardware.
V2L, V2H und V2G – Wichtige Unterschiede
Ein entscheidender Punkt ist die Unterscheidung zwischen Vehicle-to-Load (V2L), Vehicle-to-Home (V2H) und Vehicle-to-Grid (V2G).
V2L – Strom für einzelne Geräte Einige Fahrzeuge verfügen bereits heute über eine Schuko-Steckdose, über die sich einzelne Verbraucher mit 230 V und 50 Hz betreiben lassen (z.B. eine Kaffeemaschine oder ein Laptop). In diesem Fall übernimmt ein integrierter Wechselrichter im Fahrzeug die Umwandlung von DC zu AC, allerdings mit begrenzter Leistung und ohne Netzsynchronisation. V2L ist also kein Ersatz für eine Einspeisung im Hausnetz.
V2H/V2G – Einspeisung ins Hausnetz oder Stromnetz Für die Rückspeisung von Energie in das Hausnetz (V2H) oder sogar das öffentliche Netz (V2G) sind deutlich höhere Anforderungen zu erfüllen. Aktuell gibt es nur sehr wenige DC-Wallboxen, die das technisch leisten können und diese sind mit Anschaffungskosten im fünfstelligen Bereich extrem teuer. Zudem ist häufig unklar, welche Fahrzeuge mit welchen Wallboxen wirklich kompatibel sind. Wirtschaftlich sinnvoller ist in den meisten Fällen die Investition in einen stationären Hausspeicher, der dieselbe Funktion übernimmt – günstiger, effizienter und ausgereifter.
Voraussetzungen für V2H/V2G mit einer AC-Wallbox
Um eine Rückspeisung über eine AC-Wallbox wie die openWB Pro zu ermöglichen, müssen alle der folgenden technischen Bedingungen erfüllt sein:
- Das Fahrzeug muss über einen bidirektionalen On-Board-Charger verfügen, der netzsynchron Wechselstrom einspeisen kann, wie ein PV-Wechselrichter oder Hausspeicher.
- Der im Fahrzeug verbaute Wechselrichter muss den relevanten Normen entsprechen, insbesondere muss er bei einem Stromausfall im Hausnetz die Verbindung sofort und sicher trennen, um eine Netztrennung gemäß den geltenden Vorschriften zu gewährleisten.
- Unterstützung der Ladenorm ISO 15118-20 ist zwingend erforderlich.
- Und nicht zuletzt muss die Wallbox selbst dafür ausgelegt sein, den rückgespeisten Strom ins Hausnetz einzuspeisen. Bei der openWB Pro ist das der Fall
⚠️ Hinweis: Lassen Sie sich nicht von Marketingversprechen oder wohlklingenden Begriffen blenden. Die technische Realität ist eindeutig und lässt sich nicht „freischalten“ oder „nachrüsten“, wenn die notwendigen Hardware-Komponenten fehlen.
V2H über AC Aktuell unterstützt kein frei erhältliches Serienfahrzeug V2H über AC gemäß ISO 15118-20. Was derzeit verfügbar ist, beschränkt sich ausschließlich auf V2L-Funktionalitäten einzelner Modelle. V2H über AC wird erst möglich sein, wenn Fahrzeughersteller:
- netzsynchrone Wechselrichter in ihre Fahrzeuge integrieren
- und die Ladenorm ISO 15118-20 vollständig implementieren (alternativ: ein eigenes, proprietäres Protokoll veröffentlichen und offenlegen)
Zwar gibt es von verschiedenen Herstellern bereits Ankündigungen, doch bisher ist kein Fahrzeug auf dem Markt, das V2H über AC im praktischen Einsatz vollständig unterstützt. Wir von openWB verfolgen diese Entwicklungen genau und testen kontinuierlich.
V2H über DC V2H über DC-Ladung ist derzeit nur mit wenigen, sehr hochpreisigen DC-Wallboxen möglich und selbst dann nur für eine sehr begrenzte Auswahl an Fahrzeugen und herstellerspezifischen Kombinationen.
openWB ist vorbereitet
Unsere openWB Pro ist technisch bereits für das bidirektionale Laden ausgelegt, insbesondere für den späteren Einsatz von V2H über AC. Derzeit fehlt es schlichtweg noch an Fahrzeugen, die diese Rückspeisung in der Praxis unterstützen.
Detailinfos über einige Fahrzeuge
„Mein VW / Cupra / Audi / Skoda wird doch mit bidirektionalem Laden beworben!?“
Ja, einige Modelle aus dem VW-Konzern (VW, Audi, Skoda, Cupra) werben mit bidirektionalem Laden jedoch nur über DC und mit deutlichen Einschränkungen:
- Kein ISO 15118-20: Statt dem herstellerübergreifenden Standard hat sich der VW-Konzern für ein eigenes, proprietäres Protokoll entschieden. Dieses wurde bisher nicht veröffentlicht.
- Nur mit spezieller DC-Wallbox: Eine bidirektionale Nutzung ist daher nur mit ausgewählten, herstellerspezifischen DC-Wallboxen möglich. Eine Nutzung über standardisierte AC-Wallboxen wie die openWB Pro ist nicht möglich.
Renault R5 – AC-Bidirektionalität?
Der neue Renault R5 sorgte kürzlich mit der Ankündigung von bidirektionalem AC-Laden für Aufmerksamkeit. Die Aussage stimmt im Grundsatz, aber:
- Die Funktion ist derzeit nur in Frankreich freigegeben.
- Jede Installation wird individuell geprüft.
- Renault setzt auch hier auf ein proprietäres Protokoll, weshalb der R5 aktuell nur mit einer bestimmten Wallbox kompatibel ist.
Sollte Renault künftig auf ISO 15118-20 umstellen und die Freigabe auch für Deutschland erteilen, wäre die Nutzung mit der openWB Pro technisch problemlos möglich.
Volvo EX 90
Volvo plant für den EX90 (Modelljahr 2026) bidirektionales Laden auf Basis von ISO 15118-20. Aktuell liegt:
- eine technische Bestätigung von Volvo vor,
- die Marktfreigabe wird geprüft und soll nach Veröffentlichung der finalen Rahmenbedingungen erfolgen.
Vorteil: Da ISO 15118-20 zum Einsatz kommen soll, spricht nichts gegen eine spätere Kompatibilität mit der openWB Pro(+).
Regulatorische Herausforderungen
Neben der technischen Seite gibt es auch formelle Hürden, die den Marktstart bremsen:
- VDE 4105: Regeln zur Einspeisung ins Niederspannungsnetz
- GridCodes: Vorgaben zur Netzstabilität und Netzintegration
Diese Vorschriften sind wichtig für den rechtssicheren Betrieb, haben aber keinen Einfluss auf die technische Machbarkeit von V2H/V2G.
Wie gehts jetzt weiter?
Wir stehen in engem Austausch mit verschiedenen Partner, Herstellern und Konzernen und unterstützen aktiv bei Tests und Entwicklungen rund um das bidirektionale Laden. Unsere Hardware ist bereits vorbereitet und auch die Software von openWB ist in der Lage, kompatible Fahrzeuge Bein Entladen gezielt zu steuern.
So sieht das aktuell im System aus:
Sie sind OEM oder OBC-Entwickler?
Sie entwickeln On-Board-Charger oder sind Fahrzeughersteller (OEM)? Gerne freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme.